Zeitzeugen, Brückensprengung 19. April 1945
Die Brücke im Zustand von 1906. Ein Güterzug fährt nach Tübingen.
Trotz sinnloser Brückensprengung ist die französischen Besatzungtruppe einmarschiert. Hier an der Kreuzung vor der Kirche
Bauernhaus Schach an der Brücke Aufnahme von 1978. Damals floss noch der Ebbach durch den linken Brückenteil.
Einnahme Wannweils durch die Franzosen am 20. April 1945.
Von Traugott Bausch (1894-1988, ev. Pfarrer in Wannweil 1936-1947), verfaßt am 8. August 1945.
Am 19. April begann schon der Anmarsch der Franzosen von der Richtung Tübingen her. Einschläge französischer Geschütze wohl aus Panzern lagen am westlichen Rand des Dorfes an einem Waldsaum, wo sich SS-Truppen befinden sollten. Gleichzeitig wurde um Kirchentellinsfurt gekämpft. Das war um den Nachmittag und Abend. Über die Verteidigung des Orts Wannweil war noch keine Klarheit vorhanden, Panzersperren auf der Straße nach Kirchentellinsfurt waren angebracht, wurden aber wieder entfernt. Dem Ortsgruppenleiter war von leitenden Persönlichkeiten des Volkssturms bedeutet worden, daß ihm persönlich nichts geschehe, wenn er Wannweil nicht verteidigen werde, was er zusagte. Beim Einzug der Franzosen jedoch zog er es vor, wegzugehen. Nach wenigen Tagen kam er zurück und wurde noch am gleichen Tag verhaftet und nach Tübingen gebracht in ein politisches Lager. Eine Verteidigung wäre noch nicht ausgeschlossen gewesen, wenn nicht von seiten der deutschen Wehrmacht ein Ereignis eingetreten wäre, das in seiner Auswirkung jeden etwa noch vorhandenen Abwehrwillen im Keim ersticken mußte:
Die Sprengung der Eisenbahnbrücke unterhalb des Bahnhofs an dem Weg nach Kusterdingen. Dort war schon den Tag zuvor eine Sprengladung von 6 Stukabomben von je 5 Zentner Gewicht bereitgelegt worden. Ortsgruppenleiter und Bürgermeisterstellvertreter bemühten sich vergebens, bei der zuständigen militärischen Stelle eine Herabminderung der starken Ladung zu erwirken. Man hörte nachher, es sei vom Major aus zugesagt worden, daß diese Brücke nicht gesprengt werden brauche, doch konnte mit dem örtlichen Kommando keinerlei Übereinkunft hergestellt werden. Man nahm dort keine Vernunft an, konnte außerdem noch hören, was mir ein Zeuge sagte: Bei ihnen, den Soldaten zu Hause, sei auch alles zerstört! Um 3 Uhr sollte die Sprengung stattfinden, und gegen 1/2 5 Uhr nachm. kam sie wirklich. Sie soll durch mehrmaliges Abschneiden seitens der Bevölkerung verzögert worden sein. Das war der 19. April. Die Wirkung auf die Bevölkerung war unbeschreiblich. Die nächstgelegenen Häuser glichen eher Ruinen als menschlichen Behausungen. Das allernächste Haus, Bauernhaus mit Scheuer, war total zerstört. Ein Teil der eisernen Brücke war aufrecht auf die Wohnseite des Hauses geschleudert worden und hatte es zusammengedrückt. Ein Glück war, daß kein Menschenleben zu Schaden kam. Dazu sind hunderte von fernliegenden Häuser am Dach und im Innern derart erschüttert worden, das viele Dächer total umgedeckt werden mußten. Auch die Kirche hatte Schäden an Fenstern und einer Haupttür. Ebenso das Pfarrhaus, besonders am Dach. Die Stimmung war derart, daß beim geringsten Versuch, Wannweil zu verteidigen, die Volksjustiz ganze Arbeit gemacht hätte. So hat die Wehrmacht selbst den Franzosen den Weg geebnet.
Die ersten Panzer kamen nicht von Westen her, das Echaztal entlang, sondern von Süden von Kusterdingen her. Sie kamen hier herein am 20. April um die Mittagszeit. Am Abend vorher hörte man deutlich in östlicher Richtung zwischen Kirchentellinsfurt und Degerschlacht auf der Höhe Infanterie-, Maschinengewehr- und Artilleriefeuer, währenddessen um 7 Uhr abends noch auf dem Friedhof an der Ostseite des Ortes eine Beerdigung stattfand. Nachher krepierten direkt über dem Grab zwei Hochschrapnell in wenigen hundert Metern Höhe.
Einen kurzen Aufenthalt nahmen die Panzer sodann, um besonders in den Häusern an der Hauptstraße zu plündern. Sie kamen jedoch nicht mehr weit und hielten sich in der kommenden Nacht im Ort auf, in der sich Truppenteile hier einquartierten. Von Vergewaltigungen hörte man hier wenig. Zwei Fälle sind von jener Zeit bekanntgeworden. Den ganzen Tag schoß Artillerie über den Ort weg nach Betzingen und auch wohl nach Reutlingen. Ein Schuß wurde im Ort von einem Panzer in dieser Richtung abgefeuert. Vor dem Einmarsch der Panzer ist auf der Markung südlich des Orts, 1/2 km vom Bahnhof entfernt, ein unbekannter Mann, in Betzingen wohnhaft, getötet worden. Er wurde hier beerdigt.
Am Nachmittag, 15 Uhr, wurden alle Männer der Gemeinde, 16 bis 60jährig, ins Gemeindehaus gerufen zur Entgegennahme der 1. Verordnungen der französischen Militärregierung. Nach etwa einer Stunde war die Sache erledigt.
Wannweil-Quelle Walter Ott.
Trotz sinnloser Brückensprengung ist die französischen Besatzungtruppe einmarschiert. Hier an der Kreuzung vor der Kirche
Bauernhaus Schach an der Brücke Aufnahme von 1978. Damals floss noch der Ebbach durch den linken Brückenteil.
Einnahme Wannweils durch die Franzosen am 20. April 1945.
Von Traugott Bausch (1894-1988, ev. Pfarrer in Wannweil 1936-1947), verfaßt am 8. August 1945.
Am 19. April begann schon der Anmarsch der Franzosen von der Richtung Tübingen her. Einschläge französischer Geschütze wohl aus Panzern lagen am westlichen Rand des Dorfes an einem Waldsaum, wo sich SS-Truppen befinden sollten. Gleichzeitig wurde um Kirchentellinsfurt gekämpft. Das war um den Nachmittag und Abend. Über die Verteidigung des Orts Wannweil war noch keine Klarheit vorhanden, Panzersperren auf der Straße nach Kirchentellinsfurt waren angebracht, wurden aber wieder entfernt. Dem Ortsgruppenleiter war von leitenden Persönlichkeiten des Volkssturms bedeutet worden, daß ihm persönlich nichts geschehe, wenn er Wannweil nicht verteidigen werde, was er zusagte. Beim Einzug der Franzosen jedoch zog er es vor, wegzugehen. Nach wenigen Tagen kam er zurück und wurde noch am gleichen Tag verhaftet und nach Tübingen gebracht in ein politisches Lager. Eine Verteidigung wäre noch nicht ausgeschlossen gewesen, wenn nicht von seiten der deutschen Wehrmacht ein Ereignis eingetreten wäre, das in seiner Auswirkung jeden etwa noch vorhandenen Abwehrwillen im Keim ersticken mußte:
Die Sprengung der Eisenbahnbrücke unterhalb des Bahnhofs an dem Weg nach Kusterdingen. Dort war schon den Tag zuvor eine Sprengladung von 6 Stukabomben von je 5 Zentner Gewicht bereitgelegt worden. Ortsgruppenleiter und Bürgermeisterstellvertreter bemühten sich vergebens, bei der zuständigen militärischen Stelle eine Herabminderung der starken Ladung zu erwirken. Man hörte nachher, es sei vom Major aus zugesagt worden, daß diese Brücke nicht gesprengt werden brauche, doch konnte mit dem örtlichen Kommando keinerlei Übereinkunft hergestellt werden. Man nahm dort keine Vernunft an, konnte außerdem noch hören, was mir ein Zeuge sagte: Bei ihnen, den Soldaten zu Hause, sei auch alles zerstört! Um 3 Uhr sollte die Sprengung stattfinden, und gegen 1/2 5 Uhr nachm. kam sie wirklich. Sie soll durch mehrmaliges Abschneiden seitens der Bevölkerung verzögert worden sein. Das war der 19. April. Die Wirkung auf die Bevölkerung war unbeschreiblich. Die nächstgelegenen Häuser glichen eher Ruinen als menschlichen Behausungen. Das allernächste Haus, Bauernhaus mit Scheuer, war total zerstört. Ein Teil der eisernen Brücke war aufrecht auf die Wohnseite des Hauses geschleudert worden und hatte es zusammengedrückt. Ein Glück war, daß kein Menschenleben zu Schaden kam. Dazu sind hunderte von fernliegenden Häuser am Dach und im Innern derart erschüttert worden, das viele Dächer total umgedeckt werden mußten. Auch die Kirche hatte Schäden an Fenstern und einer Haupttür. Ebenso das Pfarrhaus, besonders am Dach. Die Stimmung war derart, daß beim geringsten Versuch, Wannweil zu verteidigen, die Volksjustiz ganze Arbeit gemacht hätte. So hat die Wehrmacht selbst den Franzosen den Weg geebnet.
Die ersten Panzer kamen nicht von Westen her, das Echaztal entlang, sondern von Süden von Kusterdingen her. Sie kamen hier herein am 20. April um die Mittagszeit. Am Abend vorher hörte man deutlich in östlicher Richtung zwischen Kirchentellinsfurt und Degerschlacht auf der Höhe Infanterie-, Maschinengewehr- und Artilleriefeuer, währenddessen um 7 Uhr abends noch auf dem Friedhof an der Ostseite des Ortes eine Beerdigung stattfand. Nachher krepierten direkt über dem Grab zwei Hochschrapnell in wenigen hundert Metern Höhe.
Einen kurzen Aufenthalt nahmen die Panzer sodann, um besonders in den Häusern an der Hauptstraße zu plündern. Sie kamen jedoch nicht mehr weit und hielten sich in der kommenden Nacht im Ort auf, in der sich Truppenteile hier einquartierten. Von Vergewaltigungen hörte man hier wenig. Zwei Fälle sind von jener Zeit bekanntgeworden. Den ganzen Tag schoß Artillerie über den Ort weg nach Betzingen und auch wohl nach Reutlingen. Ein Schuß wurde im Ort von einem Panzer in dieser Richtung abgefeuert. Vor dem Einmarsch der Panzer ist auf der Markung südlich des Orts, 1/2 km vom Bahnhof entfernt, ein unbekannter Mann, in Betzingen wohnhaft, getötet worden. Er wurde hier beerdigt.
Am Nachmittag, 15 Uhr, wurden alle Männer der Gemeinde, 16 bis 60jährig, ins Gemeindehaus gerufen zur Entgegennahme der 1. Verordnungen der französischen Militärregierung. Nach etwa einer Stunde war die Sache erledigt.
Wannweil-Quelle Walter Ott.
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