Der "Steffe", ein vergessenes Original.

Haus "Deuscher", Hauptstraße 35. Zustand 1981

Das Lädle des Deuscher Otto, Steffes Enkel, ist damals schon an "RIWO-Sport" vermietet. Die Deuscher-Brüder bauten für ihren Ruhestand in der Jettenburger Straße ein neues Wohnhaus. Seit einigen Jahren ist das Lädchen verschwunden, das Gebäude selbst veränderte sich kaum.
Oskar Schaumburg hat dem Stefan ein Gedicht gewidmet:
Grad nom vom Adler
Ist früher "d´r Stefan " gwea:
So a "Tante-Emma-Lädle",
Wie´s hat einst viele gea.
Das ganze Gedicht steht in seinem 2004 herausgegebenen Büchlein auf Seite 19.



Rechnungsformulare des Kohlenhändlers Deuscher.

Beachtlich ist die Preissteigerung von 1951 bis 1961. Die Löhne sind nicht so stark gestiegen. Ein Handwerksgeselle verdiente 1951 in der Stunde Brutto 1,40 DM, 1961 dann 2,70 DM. Nach dieser Rechnung kostet 2008 ein Ztr. hochwertige Nußbriketts immer noch Zwei Bruttostunden.

Das Original: Stefan Jung

Das Leben meinte es nicht immer gut mit ihm. In Kusterdingen ist er 1856 als Sohn des Johannes Jung und der Anna geb. Christ geboren. Nach der Schule arbeitete er in der Spinnerei bei Hartmann und verlor dort bei einem Unfall beide Unterarme. Hartmann beschäftigte den erst 16 Jahre alten Unglücksvogel weiter als Fuhrmann und Hundefütterer. 1882 konnte er in Wannweil ein Haus kaufen und die Margarethe Wurster aus Oberwaldach heiraten. Sie gebar ihm acht Kinder, nur drei davon durften sie großziehen, die anderen starben als Kleinkind. Tochter Luise, Jahrgang 1891 heiratete 1925 den Bauarbeiter Richard Deuscher und führte mit ihm das vom Vater gegründete Lädchen in die nächste Generation. Es sollte auch ihrem Sohn Otto (1930-1994) eine Existenz bieten, was zusammen mit dem Kohlenhandel auch gelang.

Die Streiche des "Steffe".

Um das Geschäft des neuen Lädchens anzukurbeln gab er ein Inserat auf und bot "Ein Buch für junge Eheleute und solche, die es werden wollen" für 1,75 Mark an. Bestellungen gingen eine Menge ein. Jeder Einzahler bekam ein Neues Testament zugesandt, welches ihn 17 Pfennige kostete. Das Nachspiel dieser Geschichte kenne ich nicht.
Bei Bauarbeiten an der Spinnerei ließ er eigenmächtig seine Hundeküche aufs dreifache vergrößern. Als Hartmann es merkte, war es schon geschehen. Er stand insofern dafür gerade, dass er nach dem "Anschiss" dem Fabrikant antwortete: "Wenn Sie 7 Johr an deare Fabrik rombauat, no ka mei Hondshütte au et klei bleiba müaßa".
Der Pfarrer beklagte sich einmal beim Steffen, dass er sich in der Kirche nie sehen lasse, owohl er ein sehr geachteter Mann sei. "Jo, sagte der Steffe, des ischt Gschäftssach´, ich sehe Sie in meinem Laden auch nie." Der Pfarrer hat diesen Hieb verstanden und wurde zum treuen Kunden.
Einmal kam ein Fuhrmann zu Jung in die Stube wo 9 Personen beim Mittagessen sassen und sagte zum Steffe, er soll schnell das Paket hier öffnen, was dieser auch tat. Aus der Schachtel kam eine ganze Schar lebender Spatzen. Schnell musste man das Essen zudecken und alle Fenster aufmachen.
Der Steffe war ein spassiger und guter Mensch, der viel verschenkte. Er starb 1936.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die Bahnhofstraße vor 48 Jahren, ein Vergleich

Hausabbrüche in der Bahnhofstraße

Willi Narr, ein Wannweiler Original