Ezechiel Herrmann, Pfarrer in Wannweil von 1601 bis 1609

Foto: Turmhahn auf der Wannweiler Johanneskirche seit 1568 bis 1890. Heute im Reutlinger Heimatmuseum

Ein Pfarrer als Medicus (Ezechiel Herrmann, Pfarrer in Wannweil von 1601 bis 1609)
Am 3. August 1608 beklagte sich der Professor der Medizin, Magister D. Hoh. Fabri bei den herzoglichen Kommissarien über den damaligen Pfarrer von Wannweil bei Reutlingen. Ezechiel Hermann habe einen großen Zulauf, treibe praxin medicam (eine medizinische Praxis) hin und wider und werde an vil frembde Ort abgeholet, man halt darfür, es gehe nit natürlich zu. « Der Tübinger Professor schlug deswegen vor, den Pfarrer, falls man ihn bei der Ausübung seiner Praxis auf württembergischem Territorium ertappe, um einen Ruggulden zu strafen
So teilte auch Herzog Johann Friedrich am 8. September den Reutlingern folgendes mit: »Es sei berichtet, daß der Pfarrer (Hermann) sich der Arzney Pracktickh stark undernommen… und solche medicamenta adhibire (Medikamente anwende), welche übernatürlich und artis magicae (Zauberei) halb ganz verdächtig seyen.«
Die Reutlinger sollten den Pfarrer mit allem Ernst dazu bringen, seine Tätigkeit als Arzt einzustellen. Wenn er sich im Herzogtum Württemberg wieder erwischen lasse, drohe ihm ernstliche Bestrafung.
Die Reutlinger verlangten dann auch. tatsächlich von dem Wannweiler Pfarrer, dass er sich bei dem Herzog entschuldige und eine Anerkennung seiner Unschuld erwirke. Und sie bedrohten ihn zugleich mit Amtsentzug und gänzlicher Beurlaubung.
In seinem Bittgesuch an den Herzog schilderte Pfarrer Hermann, wie er von Jugend auf Zuneigung zur »Artznei«, auch Kenntnis von allerlei Kräutern und deren Eigenschaft gehabt, auch während seines Studiums über medizinische Sachen viel mit »Doctoribus und Studiosis« konferiert habe. Sein Wunsch, ihn bei diesem Studium zu lassen, sei ihm von seinem Vater, Vitus Hermann, Prediger in Reutlingen, nicht erfüllt worden. … Allerlei Personen, hohen und niederen Standes, hätten seinen Rat eingeholt, so auch mehrmals des Herzogs verstorbener Vater. Mit ordentlichen Mitteln und Gottes Hilfe habe er manchen geholfen. Das werde ihm nun von böswilligen Personen missgönnt. Grundlos werde ihm »artes magicae« (Zaubereien) unterstellt, wovor ihn Gott behüten wolle. Er erklärte sich bereit, noch weitere Zeugnisse für seine Unschuld beizuschaffen und bat den Herzog, die falschen Anklagen nicht zu glauben, sondern ihn zu entschuldigen, damit er nicht samt Weib und Kindern ins Elend verstoßen werde. Der Herzog möge doch mit dieser Entschuldigung zufrieden sein.
Den Reutlingern erklärte darauf der Herzog am 7. November 1608: »Da der Pfarrer sich beklage, es geschehe ihm mit dem Bezicht, als verordne er verdächtige, übernatürliche Medikamente, Unrecht, so wolle der Herzog genaue Erkundigung einziehen lassen, damit der Pfarrer nicht unschuldig vom Ministerio removiert (aus dem Amt entlassen) werde.« Den Tübingern wurde am 24. November die Antwort des Pfarrers mitgeteilt und von ihnen Auskunft verlangt, »welcher ortten und was personen er übernatürliche, ungebürende medicamenta adhibirt (angewendet), auch in was Stucken er artis magicae suspect (der Zauberei verdächtig) gehalten werde.«
Die Fakultät antwortete am 15.Dezember sehr gelehrt und breit: Hermanns Kurieren sei »auf ettliche wenige linder trünck, purgantia (Klistiere), Salben und Überschläg (Umschläge) mehrentayl gestellt. « Weder »Hippocrati« noch »Galeno« sei es bekannt gewesen, aus dem Aussehen des Urins die Krankheit abwesender Personen zu beurteilen. Und die Kunst, die er auch treibe, aus Pulsschlägen zu urteilen, sei so scharfsinnig, daß sie auch dem gelehrtesten Mediziner zu schaffen gebe. Hermann aber drehe daraus den Leuten eine Nase und diagnostiziere ganz unverschämt, ob die Krankheit »uff der Leber, dem Hartzen oder anderswo« sitze.
Nicht nur ein Dutzend Bauern könne er geschwind abfertigen, auch von den Verborgensten Krankheiten heile er viel und auf eine besondere Weise.
Allerlei gottlose Reden wurden angeführt, und daß der Pfarrer Hermann im gefärbten grauen Reitrock, gleich einem reisigen Söldner, auf »die Pratick« reite. Daß er nichts verstehe, würde die Untersuchung beweisen. Behauptete Hermann doch, durch sein seltsames Verfahren eine Heilung zu vollbringen oder bisweilen zu erraten, so sei das ein gottvergessenes Spielen mit dem Menschenleben. Ihm wurde vorgeworfen, er betrüge seine Patienten mit den Arzneirechnungen und behaupte oft fälschlich, diesem oder jenem geholfen zu haben. In Metzingen hieß es, Hermann habe seine Kunst vom »Büblin von Harswag«, einem alten verrückten Zauberer, der in Hechingen verbrannt worden war, erlernt. D.Fabri habe selbst von Patienten gehört, Hermann müsse jeden zehnten Menschen haben.
Verdächtig sei unter anderem, daß er einem schlaflosen Kranken eine Tablette aus aromatischen Rosen aus der Apotheke gegeben habe, und der Kranke darauf die ganze Nacht geschlafen habe, was diese Tabletten sonst, auch in großer Menge genommen, nicht bewirken. Man müsse ihn also in Verdacht ziehen und auf Abschaffung solcher Ungebühr bedacht sein. Nach der wissenschaftlichen Literatur und der medizinischen Fachwelt sei Hermann ein Idiot. In Metzingen, wo man allein nachgefragt habe, werde er der Fruchtabtreibung beschuldigt. Dort habe er manche mit seinen Arzneien um Verstand oder Gesundheit und Leben gebracht. Falls er fortfahre wie bisher, solle man ihn bestrafen.
Über das Schicksal von Ezechiel Hermann gibt es noch eine Bemerkung auf der Rückseite des Fakultätsgutachtens: »Dieser Pfarrer ist von dem Rat zu Reutlingen des Ministerii (Amtes) erlassen und von dem Freyherren zu Justingen zu Kirchendiensten angenommen worden. «
Heinz Wolpert

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