Streit über die Gerichtszuständigkeit des zulaufenden Gerichts




Mähringen, Ansicht um 1685 (Ausschnitt aus Ortsansichten von Kieser, Hauptstaatsarchiv Stuttgart)

1471 - 1484 gab es einen Streit zwischen Graf Eberhard des älteren, mit dem Reutlinger Spital, dem der Weiler Wannweil angehörte. Das Dorf Mähringen gehörte Eberhard Bechten,  einem Bürger von Reutlingen, und in das dortige Kirchspiel gehörten die Dörfer Wankheim, Ohmenhausen, Immenhausen, Kirchentellinsfurt und Jettenburg. Zu Mähringen hatte sich nun ein sogenanntes Kirspelgericht gebildet, welches darin bestand, dass der Schuldheiß an Sonn - und Feiertagen nach dem Gottesdienst durch Ergreifen oder Stehenheissen innerhalb der Kirchhofmauern aus jenen Gemeinen Gerichtsbeisitzer erklärte und mit diesen auf dem Kirchhof über die vorgebrachten Händel richtete. Dieses Gericht erhielt von entlegenen Orten Zulauf, und hieß daher ein zulaufendes Gericht. Auch die Wannweiler liefen dahin.


Stephanuskirche in Mähringen um 1906  (Foto Geschichtsverein Härten e.V.)

Bis 1459 wurde innerhalb der Kirchhofsmauer das "zulaufende Gericht" abgehalten.
Als Graf Ludwig der jüngere das Dorf Mähringen 1452 erkauft und sein Bruder, Eberhard der ältere die dem Kloster zu Pfullingen zuständige Vogtei darüber erhalten wofür er ihm 1471 mehrere Freiheiten gestattet, wollte dieser jenes zulaufende Gericht aufheben, und verlegte es zu dem Ende nach Jettenburg. Die Wannweiler gaben und nahmen auch da ihr Recht: Allein der hiesige Spital, welcher wohl sah, daß dies freiwillige Kommen sich in ein gezwungenes verwandeln würde, erbaten sich 1471 vom Kaiser die Freiheit, ein eigenes Gericht zu Wannweil zu errichten. Grätz, Montag nach St. Matthias 1471, erhielten Pfleger und Spitalmeister des Spitals zu Reutlingen von Kaiser Friedrich die Erlaubnis, da die zwei Dörflein und Weiler Wannweil und Ohmenhausen ihnen eigen und mit keinem Gerichtszwang fürsehen wären, aus tauglichen Personen, die sie aus den zwei Weilern nehmen, zu Wannweil ein Gericht zu besetzen, das über Alles Recht spreche, nur den Bann über das Blut ausgenommen. Straf 20 Mark löthigen Golds für den, der sie hinderte. (St. A.)
Dies focht Eberhard an, und er ließ etliche Untertanen des Spitals, welche das Gericht zu Wannweil gebrauchen wollten, gefangen nach Tübingen führen. Es hätte zu Weitläuftigkeiten kommen können: aber beide Teile unterwarfen sich Austrägen; und da diese die Sache 1478, 1480, 1481 verhandelten und 1482 sie an Kaiserliche Majestät verweisen wollten, verglich man sich den 7ten Februar 1484 mittelst der Bemühungen Jörg von Ehingen, und Caspar Remps dahin, daß die Stadt, der Kaiserlichen Freiheit gemäß, bei dem Gerichtszwang zu Wannweil ungestört verbleibe, hingegen den beiden Grafen Eberhard erlaube, zu Kusterdingen einen Schultheißen und Gericht zu fegen, und die in Zukunft fallenden Frevel und Bußen allein einzunehmen. Dieses Dorf war vorher mit der Stadt Reutlingen gemeinschaftlich und eine so genannte Mundthat, besser Mundat das heißt von der gewöhnlichen städtischen Gerichtsbarkeit frei und Graf Eberhard hatte sich erst 1464 mit der Stadt verglichen, solche Mundat abzutun, und dagegen einen gemeinschaftlichen Amtmann und Gericht da zu setzen, weil dieselbe auch einige Höfe, eigene Leute und Güter daselbst hatte. Diese versprachen die Grafen in dem Vergleich von aller Schätzung und andern Beschwerden frei zu lassen. Da wir nähere aktenmäßige Nachrichten (St. A.) über das Mähringer Gericht haben, so möchte es Manchen angenehm sein, sie hier im Auszug zu vernehmen.
Georg David Beeger gibt uns folgenden aus den Akten obiger 1480 vorgekommenen schiedsrichterlichen Handlung, wobei Merk von Halfingen gemeinschaftlicher Obmann, und von Seiten Württembergs Hans Spät von Ehstetten, Ritter, Caspar Rempp von Pfullingen, von Seiten des hiesigen Spitals Claus Krydwyss und Hans von Stetten zu Eßlingen Zusätze waren, geschöpften Bericht über das Mähringer Gericht. Das Dorf Mähringen - sonst schreibt er Möringen auf den Herdern - wie auch Jettenburg - sonst von ihm Ytenbruk, genannt - gehörten vor Zeiten einigen ansehnlichen Bürgern zu Reutlingen, letztmals einem Erhart Tüfel und Becht, welche den Schuldheißen zu setzen hatten. Zur Zeit dieser Besitzung hatten die Orte Möringen, Wancken, Ommenhausen, Hvmcnhusen und Jetembrugk, alle nach dem alten Dorf eingepfarrt, ein Gericht, daher Kirspel Gericht genannt, gegen die Gewohnheit der Zwölfer Gerichte im Schwabenspiegel, wohl wegen des Zulaufs, aus 24 Richtern bestehend, niedergesetzt, worin der Schuldheiß von Möringen den Stab führte. Die Heimbürger und Einwohner dieser Orte aber waren nicht gezwungen, sondern verwillkürten sich jedes Mal zur Entscheidung daselbst. Dieses Gericht wurde gegen alle päpstliche Gesetze fast ausschließend an Sonn- und Feiertagen nach dem Gottesdienst gehalten, und gegen das Gebot Carls des Großen, aber nicht ohne Beispiel bei andern Deutschen - auf dem Kirchhof. Nach der Aussage eines Zeugen war es „ein groß Ding um dasselbe Gericht, das man von weitem gesucht; und etliche Dörfer ihr Urteil allda geholt." Die Dörfer Wannweil, Kusterdingen und Kirchentellinsfurt bedienten sich nicht bloß desselben, sondern machten sogar willkürlich die Ordnung, daß der nicht erscheinende Beklagte zwei Schilling Strafe an seinen Wohnort bezahlen sollte. Es werden ferner in den Akten namentlich benannt Dusslingen, Nehren, Wendelsheim, Bühl, Derendingen. Da gab es nun viel zu richten; und mancher wäre „des Urteils und Rechtsspruch gern vertragen gewesen," wenn gleich den Richtern für ihre Bemühung zwei Schilling Haller bezahlt wurden. „So geschah es dick, daß die Richter von den Kirchen gingen, ehe die Messe bis zu End geschehen." Daß man der Beschwerde leichter entgehen könnte, bezweckte auch die Verordnung, daß der Schuldheiß die Richter nur stehen heißen konnte, um mit zu richten , wann er sie noch auf dem Kirchhof betrat. War aber der Richter nur zwei Schuh davon entronnen, so hatte ihm der Schuldheiß nicht mehr zu gebieten. Der Missbrauch bewog einen Schuldheiß zu Möringen, den Beringer, wegen des Entziehens vom Rechtsprechen bei den Reutlinger Besitzern des Orts Beschwerde zu führen; und zu erhalten, daß er Macht hätte, den Richtern an fünf Schilling zu gebieten. „Da das Gericht in Württembergische Hände gekommen, da wollte der Vogt nicht, daß man am Sonntag rechten sollt, und machte das Gericht von Mähringen und Jettenburg nach Jettenburg.”
  (Auszug aus " Historische Denkwürdigkeiten der ehemaligen freien ReichsstadtVon Professor F. G.]. Gayler")

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